Entscheidungen / BtMG

Strafrecht, BtMG

Wer als Kurier für den Transport von Betäubungsmitteln sorgt, macht sich in der Regel nicht wegen mittäterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar. Hier kommt lediglich eine Beihilfe in Betracht.

Entscheidung vom 09.09.2015 – 4 StR 347/15

Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Einordnung des Kuriers beim Drogengeschäft. Ein Kurier leistet einen konkreten Beitrag zum Umsatzgeschäft. Es muss unterschieden werden, ob dies ein Fall der Beihilfe ist, also eine verhältnismäßig niedrige Strafe, oder ein Fall der Mittäterschaft, sodass man wie ein Täter im Falle des Handeltreibens verurteilt werden kann. Das bloße Transportieren ist regelmäßig als Beihilfe einzustufen, wobei aber eine Beteiligung am Gewinn oder Einkauf ein mittäterschaftliches Zusammenwirken nahelegt.

 

Strafrecht, BtMG

Wer bei einem Drogengeschäft den Kontakt zwischen Verkäufer und Käufer herstellt, seine Wohnung für die Abwicklung des Geschäfts bereitstellt und dafür mit der Überlassung von Marihuana belohnt wird, macht sich lediglich wegen Beihilfe zum unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln strafbar.

 

Entscheidung vom 27.3.2014 - 4 StR 20/14

 

Anhaltspunkte für eine Mittäterschaft bei der Vermittlung eines Drogengeschäfts sind etwa der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft des Handelnden. Ist dies gegeben, wenn man seine Wohnung zur Abwicklung eines Geschäfts bereitstellt?

Stellt der Betroffene lediglich den Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer her, so liegt Beihilfe vor. Der Handelnde wird regelmäßig nämlich keinen Einfluss auf die verkaufte Menge haben. Zu einer anderen Bewertung führt auch nicht die Tatsache, dass der Betroffene seine Wohnung bereitstellt und mit Betäubungsmitteln entlohnt wird.

 

Strafrecht, BtMG

Allein die Feststellung, dass sich auf dem Wohnzimmerschrank zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmte Drogen und in der aufklappbaren Wohnzimmercouch ein griffbereit liegendes Fahrtenmesser mit einer abgebrochenen Spitze befinden, rechtfertigt die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht.

 

Entscheidung vom vom 8.1.2014 - 5 StR 542/13

 

Das bloße Auffinden von Betäubungsmitteln und einem zur Verletzung anderer Personen geeignetem Gegenstand reichen nicht für den Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG aus. Für das Merkmal des Mitführens kommt es darauf an, dass der Täter den gefährlichen Gegenstand bei Begehung der Tat bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich dessen jederzeit bedienen kann. Durch das bloße Auffinden kann der beim Täter notwendige subjektive Zusammenhang von Waffe und Handeltreiben nicht belegt werden.

 

Strafrecht, BtMG

Das griffbereite Mitführen eines Klappmessers mit einer Klingenlänge von 7,5cm ist für eine Verurteilung wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmittel nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht ausreichend, wenn dieses nicht dazu bestimmt ist, Menschen zu verletzen.

 

 

§§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6b, 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG; §§ 222, 223, 224, 225, 227, 229 StGB

Körperverletzung durch Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln im Rahmen einer ärztlichen Behandlung (psycholytische Psychotherapie)

 

Leitsätze des Verfassers:

  1. Eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung unterfällt grds. nicht den Tatbeständen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts, wenn sich das mit der Gefährdung vom Opfer bewusst eingegangene Risiko realisiert, weshalb auch derjenige, der eine solche Gefährdung veranlasst, ermöglicht oder fördert, nicht wegen der genannten Tatbestände verurteilt werden kann, da er an einem Geschehen teilnimmt, welches keinen strafbaren Vorgang darstellt.
  2. Ein an einem solchen Geschehen teilnehmender Arzt erlangt nur dann eine strafbegründende Handlungsherrschaft, wenn er entweder kraft überlegenen Fachwissens das Risiko besser erfasst als es der Selbstgefährdende zu tun vermag oder der Selbstgefährdende infolge einer (bereits bestehenden) Intoxikation zu einer Risikoabwägung nicht mehr hinreichend in der Lage ist.
  3. Überlässt ein Arzt im Rahmen der ärztlichen Behandlung einem Patienten BtM und unterläuft ihm bei der Dosierung des Mittels ein Fehler, fehlt es an einer Vermittlung der Tatherrschaft durch Irrtumsherrschaft, die bei der vorsätzlichen Körperverletzung nur durch ein vorsätzliches Handeln bewirkt werden kann.

 

 

 

 

BGH, Beschl. v. 11.01.2011 - 5 StR 491/10

 

I. Sachverhalt

Der auf psychotherapeutische Behandlung spezialisierte Angeklagte, medial als „Berliner Drogenarzt“ bekannt, führte sog. psycholytische Sitzungen durch, bei denen die Patienten durch Drogen in ein Wachtraumerleben der Objektumgebung versetzt werden, um auf diese Weise an unbewusste Inhalte der Psyche zu gelangen. Im Rahmen einer 12 Patienten umfassenden Intensivsitzung, fragte er, wer von den Patienten MDMA, das von einem der Patienten beschafft worden war, einnehmen wolle. Sieben Patienten entschieden sich dafür, woraufhin der Arzt daranging, für sechs von ihnen jeweils 120 mg und für den siebten 140 mg auf seiner Waage abzuwiegen. Dabei wunderte er sich zwar über das Volumen der abgewogenen Menge, verließ sich aber auf die Anzeige seiner Waage. Tatsächlich übergab er an seine Patienten jedoch mindestens das Zehnfache der von ihm beabsichtigten Menge, weshalb es kurze Zeit später bei diesen zu heftigen körperlichen Reaktionen, insbesondere zu Spasmen, Bewegungsunfähigkeit, Übergeben oder Umsichschlagen kam. Obwohl der Angeklagte und eine herbeigerufene Notärztin Hilfsmaßnahmen einleiteten, verstarben zwei der Patienten an Multiorganversagen aufgrund der Überdosis MDMA. Ein Patient erkrankte lebensgefährlich, konnte jedoch durch eine Intensivbehandlung gerettet werden, vier Patienten durften nach kurzer stationärer Behandlung wegen Vergiftungserscheinungen die Klinik wieder verlassen. Das LG hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge, (leichtfertiger) (Verbrauchs-)Überlassung von BtM mit Todesfolge, gefährlicher Körperverletzung und (Verbrauchs-)Überlassung von BtM zur Freiheitsstrafe von 4 Jahren 9 Monaten verurteilt und mit einem Berufsverbot für immer in Bezug auf die Tätigkeit als niedergelassener Arzt und Psychotherapeut belegt. Seine hiergegen gerichtete Revision hatte mit der Sachrüge Erfolg.

 

II. Entscheidung

Der BGH hat den Schuldspruch wegen der tateinheitlichen Verknüpfung sämtlicher verwirklichter Straftatbestände insgesamt und auch die ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben; Letzteres, um dem neuen Tatrichter eine umfassende Aufklärung zu ermöglichen.

1. Eine Strafbarkeit nach den §§ 223 ff. StGB hat der BGH zunächst deshalb ausgeschlossen, weil die MDMA konsumierenden Patienten das BtM eigenhändig und wissentlich zu sich genommen hatten, sodass – rechtlich betrachtet – eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung vorlag, die grds. nicht den Tatbeständen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts unterfällt, wenn sich das mit der Gefährdung vom Opfer bewusst eingegangene Risiko realisiert, weshalb auch derjenige, der eine solche Gefährdung veranlasst, ermöglicht oder fördert, nicht wegen der genannten Tatbestände verurteilt werden kann, da er an einem Geschehen teilnimmt, welches – soweit die genannten Tatbestände betroffen sind – keinen strafbaren Vorgang darstellt (BGHSt 32, 262; 49, 34, 39; 53, 288, 290).

 

2. Der BGH konnte auch keine, die Freiverantwortlichkeit des Selbstgefährdungsentschlusses der Patienten beeinträchtigende, strafrechtlich relevante Handlungsherrschaft beim Angeklagten feststellen, von der nur dann ausgegangen hätte werden können, wenn dieser entweder kraft überlegenen Fachwissens das Risiko besser erfasst hätte als der Selbstgefährdende oder der Letztgenannte infolge einer (bereits bestehenden) Intoxikation zu einer Risikoabwägung nicht mehr hinreichend in der Lage gewesen wäre. Die Risiken waren aus der Gesamtschau der den Patienten bekannten Umständen (wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode, Illegalität des BtM einschließlich seiner Beschaffung, eigene Drogenerfahrung, in geringerem Umfang bereits aufgetretene negative Konsumfolgen) diesen gegenwärtig. Zudem bestünden auch grundlegende Bedenken dagegen, die Grundsätze der ärztlichen Aufklärungspflicht bei Maßnahmen der Heilbehandlung uneingeschränkt in Fällen anzuwenden, in denen sich selbstverantwortliche Personen auf eine Behandlung einlassen, die offensichtlich die Grenzen auch nur ansatzweise anerkennenswerter Heilkunst überschreitet (vgl. auch § 13 BtMG).

 

3. Auf der Grundlage des im Revisionsverfahren zu beurteilenden Sachverhalts konnte sich Tatherrschaft des Angeklagten hinsichtlich einer Vorsatztat im Zusammenhang mit der Überdosierung auch nicht in Form der sog. Irrtumsherrschaft feststellen lassen, weil dies vorsätzliches Handeln des Angeklagten vorausgesetzt hätte. Bzgl. der inneren Tatseite war jedoch das LG der Einlassung des Angeklagten gefolgt, die Überdosierung sei Folge einer Fehlfunktion seiner Waage gewesen. Sei dieser Einlassung (auch nach neuer tatrichterlicher Würdigung) zu folgen, liege beim Angeklagten fahrlässiges Handeln vor, weshalb er nur wegen fahrlässiger Körperverletzung bzw. fahrlässiger Tötung verurteilt werden könne.

 

4. Anzumerken hatte der BGH noch, dass die Verurteilung wegen Verbrauchsüberlassung mit leichtfertiger Todesfolge (§ 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG, § 18 StGB) eine eingehendere Auseinandersetzung des LG mit dem Wiegefehler und seiner Erkennbarkeit vor dem Erfahrungshintergrund des Angeklagten als Arzt erfordert hätte.

 

Bedeutung für die Praxis:

Auf die hier aufgehobene Ausgangsentscheidung des LG Berlin wurde bereits in dem das Verhältnis von Ärzten zu BtM näher beschreibenden Beitrag mehrfach eingegangen.

 

Der Entscheidungssachverhalt selbst betrifft den Problemkreis der Anwendung von BtM im Rahmen schulmedizinisch nicht anerkannter Behandlungsmethoden („Außenseitermethoden“). Bewegt sich ein Arzt in diesem Bereich, ist er generell besonderen Sorgfaltspflichten unterworfen, da er die von ihm angewandte Behandlungsmethode ständig hinterfragen und sie ggf. bei aufkommenden Zweifeln oder Bedenken abbrechen muss (Weber, BtMG, 3. Aufl. 2009, § 13 Rn. 34).

 

Jedem in seiner Willensbetätigung nicht eingeschränkten Erwachsenen steht es generell frei, sich selbst zu schädigen; er kann Alkohol, Tabak und auch BtM konsumieren, ohne sich strafbar zu machen. Werden BtM ärztlich verordnet oder – wie hier – zum unmittelbaren Verbrauch überlassen, erfährt der Grundsatz der Straflosigkeit der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung bzgl. des daran teilnehmenden Arztes nur insoweit Einschränkungen, als dieser im Fall der erkennbaren Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit des Patienten seine Behandlungsmaßnahme nicht reaktionslos beginnen bzw. fortsetzen darf.

 

Ist der Patient zur freien Willensentschließung fähig, schränkt die Rechtsordnung Behandlungsmaßnahmen eines Arztes faktisch nur dort ein, wo dieser kraft überlegenen Fachwissens das Risiko besser erfasst als es der Selbstgefährdende selbst zu tun vermag. Möglicherweise vor dem Hintergrund der Aufhebung der tatrichterlichen Entscheidung einschließlich sämtlicher Feststellungen ist der BGH auf den, einen der beiden Verstorbenen betreffenden, Umstand nicht näher eingegangen, dass dieser nach Einnahme von MDMA bereits schon einmal Spasmen und Halluzinationen erlitten hatte, sodass sich für den Angeklagten durchaus die Frage stellte, ob dieser Patient überhaupt MDMA-verträglich war und ob ihm deshalb die neuerliche Überlassung dieses BtM zugemutet werden durfte.

 

Nach dem unstreitigen Geschehensablauf hat sich der Arzt infolge des Wiegefehlers jedenfalls der mehrfachen fahrlässigen Körperverletzung und der fahrlässigen Tötung in zwei Fällen schuldig gemacht, sofern auch im neuen Verfahren seiner Einlassung zur Fehlfunktion der Waage gefolgt wird. Hatte der Angeklagte die Störanfälligkeit seiner Waage indessen bereits gekannt und das BtM trotz der bei ihm schon vom Volumen her aufkommenden Bedenken über die Zuverlässigkeit des Geräts gleichwohl seinen Patienten zum Verbrauch überlassen, würde es hinsichtlich der Körperverletzungsdelikte naheliegen, dass er eine Überdosierung billigend in Kauf genommen hat, was – mit Abstrichen – wieder zum Ergebnis des aufgehobenen Urteils führen würde.

 

In Tateinheit zu den – ob vorsätzlich oder fahrlässig begangenen – Körperverletzungen/Tötungen steht der Verstoß gegen § 29 Abs. 1 BtMG (Weber, a.a.O., § 13 Rn. 80). Ausgangspunkt dabei ist § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6b BtMG, wonach ein Arzt BtM zum unmittelbaren Verbrauch nur in den Grenzen des § 13 Abs. 1 BtMG überlassen darf. Zwar wird man sich der Frage der medizinischen Begründetheit der BtM-Überlassung im Rahmen der konkreten ärztlichen Behandlung, oder besser gesagt: überhaupt deren medizinische Begründbarkeit, die vom BGH nahezu abfällig als „offensichtlich die Grenzen auch nur ansatzweise anerkennenswerter ärztlicher Heilkunst“ abgekanzelt worden ist, zuwenden können; die Strafbarkeit nach dem BtMG wird davon allerdings schon deshalb nicht abhängen, weil ein Arzt nur die verkehrs- und verschreibungsfähigen BtM der Anl. III zu § 1 Abs. 1 BtMG zum Verbrauch überlassen darf, MDMA indessen in Anl. I enthalten ist. Deshalb wird sich die Verurteilung auf Abgabe (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) stützen können, da auch der Arzt nur bei einem Handeln nur im Rahmen des § 13 Abs. 1 BtMG von der Erlaubnispflicht (§ 3 BtMG) befreit ist, und die Verbrauchsüberlassung (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6b BtMG) keine „Sperrwirkung“ für Taten nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG durch Ärzte entfaltet, wenn sie im Rahmen ihrer Behandlungsmaßnahmen mit BtM verkehren, ohne dass die materiellen Voraussetzungen des § 13 BtMG gegeben sind (BGHSt 52, 271 = NJW 2008, 2596 = LNR 2008, 16366).

 

 

 

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